Stilles Konzert mit großer Strahlkraft
Mechthild Seitz und Christian Trappe ließen Hildegard von Bingen sprechen
(Bericht der HNA vom 21. Oktober 2015 - Nicola Uphoff-Watschong)
Lippoldsberg. Es war vielleicht das ruhigste Konzert des Jahres in der Klosterkirche Lippoldsberg, aber auch eines der stärksten. Die Gesänge aus der Feder der Hildegard von Bingen, die in der Bauzeit der Klosterkirche entstanden, schienen mit den Steinen der Basilika zu verschmelzen.
Mechthild Seitz, die im nur wenige Kilometer entfernten Oedelsheim aufwuchs, hat sich tief in die Materie dieser alten, gregorianischen Melodien hineingefühlt. Mit ihrer warmen, vollen und doch federleichten Stimme wurden die Tonlinien wieder lebendig, mit denen Hildegard damals ihre religiösen Empfindungen beschrieb.
Puristisch, transparent, und doch vielschichtig und vielfarbig vermittelte Mechthild Seitz den Eindruck, dass diese Musik zu Recht die letzten 800 Jahre unverfälscht überdauert hat und auch in der Zukunft noch Liebhaber finden wird. So wie die rund 100 Besucher des Konzerts, und so wie Gerhard Wolfstieg, der sich als zeitgenössischer Musiker von der Äbtissin inspirieren ließ. Zwei seiner musikalischen Widmungen ergänzten das mittelalterliche Programm mit ausgesprochen gewagten, unerwarteten Intervallen und einer fast schon zu eigenwilligen Interpretation der alten Texte - eine große Herausforderung für die Sängerin, die sie in bewunderungswürdiger Weise meisterte.
Berührend erklang auch ein Lied von der Worpsweder Kinderliedautorin Margarete Jehn über unseren gefährdeten blauen Planeten, eingehüllt in eine israelische Melodie. Auch wenn dies aus dem gregorianischen Kontext ausbrach, zeugte der Text doch von einer ähnlichen Kraft wie die spirituellen lateinischen Verse.
Zwischen den einzelnen Stücken las Pfarrer Christian Trappe kurze Passagen über das Leben und die Visionen der Hildegard von Bingen. Auch Sophia, die "Frau Weisheit" aus den alttestamentlichen Sprüchen, kam zu Wort.
Der direkte Bezug Hildegards zur Klosterkirche durfte nicht fehlen. Vikarin Imme Mai verlas einen historischen Briefwechsel zwischen der Lippoldsberger Priorin Margareta und ihrem "Idol" Hildegard, der schloss mit den Worten: "Nun lebe in Ewigkeit".
Das nächste, ebenfalls stille Konzert mit großer Strahlkraft findet am 22.11. um 19 Uhr in der Klosterkirche statt, dann mit dem Oberton- und Klangkünstler Werner Worschech.
Biografie Mechthild Seitz
Mechthild Seitz wurde in Göttingen geboren. Sie studierte an der westfälischen Landeskirchenmusikschule Herford Kirchenmusik und Gesang an der Musikhochschule Karlsruhe.
1992 erhielt sie den Kulturförderpreis der Stadt Kassel.
Sie ist als Gesangspädagogin und Stimmbildnerin tätig.
Viele zeitgenössische Werke sind für ihre Stimme komponiert worden. Ihr Repertoire umfasst neben den traditionellen Mezzosopran- und Altpartien (Messen, Oratorien) das Liedfach "Zeitgenössische Werke".
Mechthild Seitz arbeitet u.a. mit den Organisten und Komponisten Hans-Ola Ericsson, Daniel Glaus, Marek Kopelent, Dieter Schnebel, Hans Zender, Zsigmond Szathmáry und Klaus Martin Ziegler zusammen .
Sie singt bei zahlreichen Festivals für Alte und Neue Musik.
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