Adventszeit - 2. Sonntag im Advent
Es war sicher keine christliche Erfindung, dass Menschen sich wintertags Äste mit Knospen schnitten, um in der grauen, dunklen Zeit zumindest einen Vorgeschmack von Frühling im Haus zu haben.
Dass diese Sitte ins kirchliche Brauchtum Einzug hielt, hängt mit dem Evangelium des 2. Advents zusammen. Seit alter Zeit wurde im Gottesdienst an diesem Tag ein Abschnitt aus dem Lukasevangelium verlesen, in dem Jesus zu einer achtsamen Naturbetrachtung auffordert.
Evangelium
Vom Nahen des Reiches Gottes (Lk 21,29-31)
Seht an den Feigenbaum und alle Bäume:
Wenn sie ausschlagen und ihr seht es,
so wißt ihr, dass der Sommer nahe ist.
So auch:
Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht,
so wißt ihr, daß das Reich Gottes nahe ist.
Interpretation
Ein Gleichnis, in dem es um Zukunftserwartung geht. Eine neue Zeit zieht herauf. Eine bessere, heilere Welt. Jesus nennt sie das Reich Gottes. Aber bevor das geschehen kann, muss das Alte weichen. Schmerzen, Verlustängste, Unsicherheit sind unvermeidlich, wenn etwas neu, anders und besser werden soll.
Das Reich Gottes ist die Zukunft. Aber wird es auch in der Gegenwart spürbar? Damit wir Weihnachten als Anbruch der neuen Zeit nicht versäumen, brauchen wir die Vorbereitung im Advent: Wir müssen still, leer und tot werden - wie ein blattloser Ast, damit wir die kleinen Dinge, mit denen Gott das Gute in der Welt ausbreitet, nicht übersehen. Nicht sich selbst aufplustern, sondern aufmerksam warten wie ein Zweig, bis Gott seine Kraft in uns entfaltet.
Winterzweige
Brauchtum
Barbaratag (4.Dezember)
Der vom 2. Advent abgeleitete Brauch, Blütenzweige in die Stube zu holen, wurde mit dem Tag der Hl. Barbara verknüpft. Der 4. Dezember war gerade der richtige Zeitpunkt, wenn die Blüten zu Weihnachten aufgehen sollten.
Heute in unseren warmen Wohnungen treiben die Knospen oftmals schneller aus; man kann sie daher auch später in Haus holen. Geeignet sind Zweige von Kirschbaum, Weichsel, Schlehe, Zaubernuss oder auch Forsythie. Sie sollten zunächst in lauwarmes Wasser gelegt und dann in einem Wasserkrug an einen hellen Platz, z.B. ans Fenster gestellt werden. Nicht vergessen: Das Wasser etwa jeden dritten Tag wechseln.
Barbarazweige - Zaubernuss
Gedicht
Sancta Barbara
Am Tag von Sancta Barbara,
da geht das Jahr zur Neige.
Dann trag' ins Haus, von fern und nah,
die kahlen Kirschbaumzweige!
Am Tag von Sancta Barbara,
stell Zweige dir ins Zimmer!
Dann lacht zur Weihnacht, hier und da,
ein weißer Blütenschimmer.
(nach James Krüss)
Blütenzweig
Brich von jenem Baum im Garten,
der im Frühjahr dir die ersten Blüten gab,
heute einen schwarzen winterharten
Zweig für deine Kammer ab.
Stell ihn auf die alte, dunkle Truhe.
Sorg dich seiner! Gast in deinem Haus,
breitet er dir wunderliche Ruhe
bald im Raum und um dein Wesen aus.
Einmal morgens nimm ihn eine Weile
gut in deines Atems warmen Hauch.
Sieh, schon treibt durch ihn das unversehrte, heile
Wachstum wie durch einen Frühjahrsstrauch.
Freu dich, denn dies ist ja das Leben,
das dir kommt in deine Einsamkeit.
(F.A.Hoyer)
Barbaratag
Geh in den Garten am Barbaratag.
Geh zu dem kahlen Kirschbaum und sag:
Kurz ist der Tag, grau ist die Zeit;
der Winter beginnt, der Frühling ist weit.
Doch in drei Wochen, da wird es geschehen:
Wir feiern ein Fest, wie der Winter so schön.
Baum, einen Zweig gib du mir von dir.
Ist er auch kahl, ich nehm ihn mit mir.
Und er wird blühen in seliger Pracht
mitten im Winter in der heiligen Nacht.
(Josef Goggenmos)
Legende
St. Barbara
Barbara, die in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts gelebt haben soll, ist ebenso klug wie schön, eine Prinzessin, Tochter des reichen Dioskuren von Nikomedien.
Aber leider: Ihr Vater ist wie vernarrt in seine Tochter und betrachtet sie als seinen Besitz. Er gewährt ihr keinerlei Eigenständigkeit. Um ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, schließt er sie ein in einen hohen Turm.
Doch die Gedanken sind frei und lassen sich nicht einsperren. In der Enge des väterlichen Gefängnisses entdeckt Barbara für sich die Weite der religiös-geistigen Welt. Sie schreibt sich Briefe mit dem christlichen Lehrer Origines. Und eines Tages, in einer geheimen Zeremonie, die sie in ihrem Turm zu arrangieren versteht, wird sie getauft. Von da an bekennt sie sich offen zu dem einen lebendigen Gott in Jesus Christus.
Als der heidnische Vater davon erfährt, tobt er vor Wut und vor Eifersucht. Er will die ungetreue Tochter erschlagen, aber sie entflieht. Eine Felsspalte tut sich auf und im Schoß von Mutter Erde ist sie zunächst vor dem väterlichen Zugriff verborgen.
Jedoch - ein Hirte, der die wundersame Rettung beobachtet hat, verrät sie. Sie wird gefasst von ihrem Vater, der sie mit Hilfe der Staatsgewalt öffentlich demütigen, auf's Grausamste quälen und verstümmeln lässt. Am Ende tötet er sie mit eigener Hand.
Verknüpfung
Barbarakirche in der Bretagne
Eine merkwürdige, psychologisch durchaus aufschlussreiche Geschichte:
Von Vätern und Töchtern - und dem eigenen Weg, der sich nicht hindern lässt. Nur für die Blütenzweige bietet diese Geschichte keinerlei Anknüpfungspunkt.
Erst viel später entstand eine Legende, mit der das Blüten-Motiv in die Barbara-Geschichte eingeflochten wurde: Beim Hinabsteigen in ihr Turmverlies habe sich ein blattloser Zweig an ihrem Kleid verfangen. Barbara habe das Zweiglein sorgsam in ihren Trinkbecher gestellt - und in der Dunkelheit des Gefängnisses seien die Knospen erblüht.
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