Adventszeit - 4. Sonntag im Advent
Wie Johannes den 3. Adventssonntag prägt, so steht am 4. Advent die Gestalt der Maria im Mittelpunkt. Maria und Johannes, die frühen Begleiter Jesu, wurden schon in der Alten Kirche in einem Zusammenhang gesehen. Sie galten als Ideal der Menschen, die sich auf Jesus hin orientieren.
Die geschlechtliche Polarität der beiden hatte dabei eine symbolische Bedeutung. Steht Johannes für die eher "männliche" Bereitschaft zum Umbruch, zur schmerzhaften Befreiung, so verkörpert Maria die eher "weibliche" Haltung des Offenseins, des sich Erfüllen-Lassens. Isoliert sind diese beiden Aspekte nicht sinnvoll, sie müssen zusammenkommen, wenn daraus etwas Heilsames entstehen soll.
Maria und Johannes der Täufer neigen sich zu Christus
Evangelium
Die Ankündigung der Geburt Jesu (Lk, 1,26-38)
Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, daß sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.
Mariä Verkündigung - Fra Angelico
Interpretation
Vertrauen haben, auch über Wissen und Verstehen hinaus, sich dem Leben öffnen, Gott in sich einlassen, sich zur Verfügung stellen - das ist Marias Wesen. Und es ist auch die Haltung, die uns aufgegeben ist: Christus, das wahre Selbst, in uns wachsen zu lassen und zur Welt zu bringen.
Die Verkündigungsszene ist eigentlich ein Bild für das, was in der Meditation geschieht: Gott spricht - wie auch immer: als innere Stimme, durch Engel, ein gelesenes Wort - und wir hören und lassen das Gehörte in uns wirksam werden. Es ist ein stiller, innerlicher Vorgang.
Doch das was daraus folgt ist gar nicht still und innerlich: Der Lobgesang, den Maria anschließend anstimmt, das Magnifikat, zeigt eine andere, ungewohnte Seite Marias: Nicht die fügsame Dulderin, sondern eine Frau mit revolutionären Gedanken, eine Prophetin der Armen, die die alte Adventssehnsucht von einer besseren, gerechteren Welt in kraftvollen Worten zum Ausdruck bringt.
Die Umkehrbewegung, die schon den 3. Adventssonntag prägte, erscheint hier noch einmal in anderer Weise: Was hoch scheint, wird niedrig werden. Die Hungrigen werden satt werden, aber die Reichen leer ausgehen. Doch Maria ruft nicht zum Kampf und zum Sturz der bestehenden Ordnung auf. Sie weiß: Wenn sich etwas zum Guten fügt, dann nicht, weil wir Menschen die Welt verbessern wollen, sondern weil Gott es wirkt.
Gebet
Magnifikat (Lk 1,46-55)
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan,
der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht
bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer ausgehen.
Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.
Lied
Maria durch ein Dornwald ging
Klangbeispiel: Kantorei Lippoldsberg und Solisten - Komponist Waldemar Rumpf
Maria im Rosenhag - Stefan Lochner
Maria durch ein' Dornwald ging. Kyrieleison!
Maria durch ein' Dornwald ging,Der
hatte in sieben Jahrn kein Laub getragen!
Jesus und Maria.
Was trug Maria unter ihrem Herzen? Kyrieleison!
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
Das trug Maria unter ihrem Herzen!
Jesus und Maria.
Da hab'n die Dornen Rosen getragen. Kyrieleison!
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
Da haben die Dornen Rosen getragen!
Jesus und Maria.
Brauchtum
Weihnachtsbaum
Um den 4. Advent herum beschäftigen sich viele Menschen mit ihrem Weihnachtsbaum, einem Brauchtum, das zur adventlichen Vorgeschichte von Weihnachten gehört.
In vielen Kulturen und Religionen dienten besondere Bäume als zentrale Punkte. Man sah sie als Dreh und Angelpunkt an, als "axis mundi", Weltenachse. Mit ihren im Erdreich verborgenen Wurzeln und ihren in den Himmel reichenden Ästen schienen sie ein Verbindung zwischen Himmel und Erde zu schaffen. Sie galten darum als Heilige Stätten, sei es als wirkliche Bäume wie Gerichtslinde und Maibaum oder als mythologische Bäume wie die Weltenesche Yggdrasil.
Der Weihnachtsbaum hat seinen Ursprung in der Kirche, im Krippenspiel des Mittelalters. Vor dem eigentlichen Krippenspiel fand das Paradiesspiel statt. Dabei wurde gezeigt, wie Adam und Eva durch den Sündenfall das Paradies verspielten. Durch die Geburt Christi ist die Trennung von Gotteswelt und Menschenwelt wieder aufgehoben. Christus eröffnet wieder einen Weg zum Paradies, wie es in einem Weihnachtslied (EG 27) besungen wird:
Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchsten Thron,
der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis.
Zur Ausstattung der mittelalterlichen Paradiesspiele gehörte natürlich immer ein grüner Baum, der "Paradiesbaum". Von dem wurde an der dramaturgisch bestimmten Stelle die "Frucht" gepflückt, dem zeitgenössischem Denken nach, ein roter Apfel.
Baum des Todes und des Lebens
Berthold Furtmayer
Aber in der Bibel ist der Baum in der Mitte des Paradieses ein doppelter. Neben dem Baum der Erkenntnis, von dem Eva und Adam essen, gibt es auch den Baum des Lebens, vom dem Gott die Menschen vertreibt, bevor sie davon essen können.
Dieser "Lebensbaum des Paradieses" (vgl. EG 96) wurde von den Christen schon früh mit dem Kreuzesbaum Jesu in Verbindung gebracht, der in der Kirche als Zeichen der Hoffnung auf ewiges Leben gilt. Neben roten Äpfeln fand man darum sehr bald auch vergoldete Nüsse, die eine Vorstellung von Paradiesfrüchten vermitteln sollten.
Hl. Christopherus und Gabenbaum
Mit den Jahren wurde die "paradiesische" Seite immer stärker. Mit dem in den Baum gehängtem Festgebäck, Vorläufer unseres Christbaumschmucks, wurde das Paradies als ein Schlaraffenland vorgestellt. Am Ende der Weihnachtszeit durfte der Paradies- bzw. Christbaum abgeblümelt oder geplündert werden, d.h. die Früchte wurden von Kindern "geerntet".
Mancherorts wurde der Baum über Weihnachten sogar umdekoriert, wie ein aus Thüringen überlieferter Brauch zeigt: Dort war der Paradiesbaum mit roten Äpfeln zunächst von einer Papiergirlande umwickelt, die das verschlossene Paradies vor Augen führen sollte. Dann wurde mit der Geburt Jesu die Kette zerrissen und der Christbaum mit Kerzen (Christuslichtern) und glänzenden Kugeln (Perlentore des Himmlischen Jerusalem) geschmückt.
Im 16./17. Jahrhundert taucht der Weihnachtsbaum außerhalb der Kirche auf: Und zwar zunächst bei Gemeinschaftsfeiern von Zünften und Bruderschaften. Dabei wurden zunächst nicht nur Nadelbäume, sondern auch Buchsbaum und sogar kahle Bäume verwendet, die umso reicher mit Gaben behängt wurden.
Für 1605 ist in Straßburg der erste Christbaum belegt. In einer Chronik heißt es:
"Auf Weihenachten richtett man Dannenbäume zu Strassburg in der Stubben auf, daran henckett man rossen aus vielfarbigem Papier geschnitten, Äpfel, flache kleine Kuchen, Zischgolt, Zucker ..."
Diese neue Sitte fand nicht nur Freunde. Der Pastor am Straßburger Münster wetterte gegen solche "Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begeht". Dennoch galt der Christbaum bald als weihnachtliches Symbol "rechtgläubiger" Protestanten. Er wurde zum Gegensymbol der "katholischen" Weihnachtskrippe.
Einen der ältesten Belege für einen Christbaum mit Lichtern liefert Liselotte von der Pfalz in einem Brief aus dem Jahre 1708:
"Ich weiß nicht, ob ihr ein anderes Spiel habt, das jetzt noch in ganz Deutschland üblich ist; man nennt es Christkindel. Da richtet man Tische wie Altäre her und stattet sie für jedes Kind mit allerlei Dingen aus, wie neue Kleider, Silberzeug, Puppen, Zuckerwerk und alles Mögliche. Auf diese Tische stellt man Buchsbäume und befestigt an jedem Zweig ein Kerzchen; das sieht allerliebst aus."
Tannenbaum im Familienbrauch
Erst mit den Kerzen beginnt - im 17. / 18. Jahrhundert - der wirkliche Siegeszug des Weihnachtsbaums. Und erst mit dem Baum als leuchtendem Zentrum werden die Weihnachtsfeiern zunehmend zu häuslichen Familienfesten. Es ist zunächst der Adel, bei dem der kostspielige Luxus der Weihnachtskerzen in Mode kommt.
Dann folgen wohlhabende Beamtenfamilien ihrem Vorbild. In die Wohnungen der einfacheren Menschen gelangt der Weihnachtsbaum erst über den Umweg des Militärs. Der preußische König hatte im Kriegswinter 1870/71 verfügt, in allen Unterständen und Lazaretten Christbäume aufzustellen. Diesen Brauch nahmen die Soldaten in ihre Familien mit.
Und der deutsche Weihnachtsbrauch wurde auch in andere Länder exportiert:
In Österreich stand 1816 der erste Weihnachtsbaum, in Frankreich 1840. Durch den deutschen Prinzgemahl Albert der britischen Königin Victoria (1837 - 1901) fand der Weihnachtsbaum nach England. Sehr früh tauchten Christbäume auch in Amerika auf. Für 1748 ist der Brauch bei Siedlern in Pennsylvanien belegt. Eingeführt haben ihn die nach Amerika "vermieteten" hessischen Soldaten.
Unser Weihnachtsbaum hat sich vom Krippenspiel gelöst, aber untergründig lebt in ihm die alte Paradiessymbolik fort. Der immergrüne Lebensbaum als Mittelpunkt eine heilen Welt, in die wir an Weihnachten wenigstens vorübergehend eintauchen.
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