18. Sonntag nach Trinitatis
Gottes Gebote
Der 18. und der 20. Sonntag nach Trinitatis sind demselben Thema gewidmet - Gottes Geboten.
"Gebote" sind für die meisten Menschen mit der Vorstellung von Zwang verbunden - sei es, weil man als Kind die berühmten 10 auswendig lernen musste oder weil man sie als absolute Norm versteht, die Unterordnung verlangt.
Ursprünglich haben die zehn Gebote einen anderen, lebensermöglichenden Sinn. Sie dienten dem Volk Israel als einfacher und darum brauchbarer Orientierungsrahmen.
Auch heute sind diese Lebensregeln, die man an den Fingern abzählen kann, handhabbarer als unsere mittlerweile zu Bibliotheken angeschwollenen Gesetzeswerke.
Evangelium
Das höchste Gebot (Mk 12, 28-34)
Ein Schriftgelehrter, nachdem er Jesus eine Weile zugehört hatte und sah, dass er gut gesprochen hatte, trat zu Jesus und fragte ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?
Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das:
"Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,
und du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele,
von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften."
Das andre ist dies:
"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.
Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm:
Du bist nicht fern vom Reich Gottes.
Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Interpretation
Eine typische Szene jüdischer Gesprächskultur: Das Lehrgespräch zweier Schriftgelehrter um die eine Frage:"Wie lebt man richtig?"
Und weil es zur Zeit Jesu im Judentum mittlerweile 613 Gebote gab, wird immer wieder die Frage nach einer Zusammenfassung der Gebote, nach dem Wesentlichen laut: "Kannst du mich das Gesetz lehren, solange ich auf einem Bein stehe?"
Die Antwort Jesu ist nicht außergewöhnlich, sondern ganz klassisch. Das erste Gebot, das Jesus nennt, stammt aus 5. Mose 6,4-5. Nicht einmal der strengste Lehrer des damaligen Judentums, Rabbi Schammaj, hätte an dieser Antwort etwas auszusetzen gehabt.
Jesus zitiert hier das Sch´ma Israel, jenes Grundgebet und -bekenntnis des Judentums, dass sich die Gläubigen auf vielerlei Weise immer wieder ins Gedächtnis rufen.
Auch das zweite Gebot, das Jesus zitiert (3. Mose 19,18), entspricht einer damals verbreiteten Lehrmeinung, wie sie z.B. von dem angesehenen Rabbi Hillel vertreten wurde. Das Liebesgebot ist nicht eigentlich als ergänzende Hinzufügung zu verstehen, sondern wird dem ersten gleichsetzt.
Die Verbindung beider Gebote soll sicherstellen, dass die Regeln nicht als lebensfeindliche Zwänge eingefordert werden, sondern aus ihrer inneren Zielsetzung verstanden und erfüllt werden.
Brauchtum
In der Herbstzeit begeht man im Judentum im Anschluss des Laubhüttenfest (Sukkot, eine Art Erntedank) das Fest der Thorafreude (Simchat Thora), das mit großer Ausgelassenheit gefeiert wird. Dabei werden die Schriftrollen aus dem Thora-Schrein geholt und in Umzügen (Hakkafot) durch die Synogoge getragen, während die Gläubigen fröhlich dazu tanzen. Kaum etwas kann anschaulicher die positive Bedeutung der Gebote in der jüdischen Religion vermitteln.
Tanzender Chassid
Erzählung
Am Fest der Freude an der Lehre vergnügten sich die Jünger im Hause des Baalschem; sie tanzten und tranken und ließen immer neuen Wein aus dem Keller holen.
Nach etlichen Stunden kam die Frau des Baalschem in seine Kammer und sagte:
"Wenn sie nicht aufhören zu trinken, wird bald für die Sabbatweihe kein Wein mehr übrig sein."
Er antwortete lachend:
"Recht redest du. Geh also zu ihnen und heiße sie aufhören."
Als sie die Tür der großen Stube öffnete, sah sie:
Die Jünger tanzten im Kreis, und um den tanzenden Kreis schlang sich lodernd ein Ring blauen Feuers.
Da nahm sie selber eine Kanne in die rechte und eine Kanne in die linke Hand und eilte, die Magd hinwegweisend, in den Keller, um alsbald mit gefüllten Gefäßen zurückzukehren. (Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim)
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