8. Sonntag nach Trinitatis
Kinder des Lichts und Kinder der Finsternis
Die Sonntage nach Trinitatis überspannen die ganze Zeit des Sommers bis in den Herbst hinein. Weil diese Zeit früher stark von der Landarbeit bestimmt wurde, gibt es in ihr keine großen Festtraditionen. Daher sind die Trinitatissonntage thematisch nicht so sehr festgelegt.
Nicht nur die Pflanzen brauchen Licht, um zu wachsen. Auch wir Menschen brauchen Licht, um zu leben.
Sonnenhungrige am Strand - Jugendfreizeit in Kroatien
Kein Wunder, dass in allen großen Religion das Licht als Gottessymbol gilt: Sei es im freudigen Feiern der lebensspendenden Sonnenkraft oder im christlichen Glauben an das Licht des Lebens, das auch aus dem Untergang immer neu hervorgeht, oder im Streben der Menschen nach geistlicher Erleuchtung. Immer ist es das Licht, dem wir uns zuwenden.
Doch wo viel Licht ist, ...
Biblische Lesung
(Eph 5)
Folgt dem Beispiel Gottes als seine geliebten Kinder
und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat
und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer.
Denn ihr wart früher Finsternis;
nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.
Lebt als Kinder des Lichts;
die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist,
und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis;
deckt sie vielmehr auf.
Denn was von ihnen heimlich getan wird,
davon auch nur zu reden ist schändlich.
Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird;
denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.
Interpretation
Kinder des Lichts - Kinder der Finsternis:
ein Gegensatzpaar, so alt wie das menschliche Bewusstsein selbst (1. Mose 3,5).
Schwarz-/Weiß-Denken ist unausrottbar und zählebig, vielleicht weil es mit jeder Generation neu geboren wird. Denn es ist ein Denkmuster der Jugend. Ein erster Versuch, die Welt zu ordnen, indem man sie aufteilt in Freund oder Feind, cool oder uncool.
Die Dynamik, die aus der Polarität wächst, wird auch gesellschaftspolitisch immer wieder benutzt. Doch so verlockend der Gedanke ist, durch Ausgrenzung alles Unpassenden die perfekte Welt zu schaffen, waren es nicht selten die selbsternannten "Kinder des Lichts", die mit ihren Säuberungen großes Unheil über die Menschen brachten.
Zur Grundlage eines religiösen Systems wurde das dualistische Denken im persischen Zoroastrismus. Zarathustra, der um 1000 v.Chr. lebte, sah die Welt eingespannt in das Ringen zwischen dunklen und lichten Mächten - ein folgenreiches Modell, das in viele Religionen ausstrahlte.
Auch das spätantike Judentum war, vor allem in seinen apokalyptischen Gruppen, vom dualistischen Denken geprägt. Jesus lernte das Schema "Kinder des Lichts - Kinder der Finsternis" wahrscheinlich über die Essener kennen, eine jüdische Sekte, die versuchte, durch strenge Moral und äußere Reinheit ein gottgefälliges Leben zu führen. Die dazu erforderliche, enorme Selbstdisziplin kompensierte man mit aggressiven Phantasien über das nahe Weltgericht, das allen Unreinen ein grauenvolles Ende bereiten würde.
Auch Jesus verwendet die starken Bilder von Licht und Schatten, um seine Hörer aufzurütteln. Aber er weiß, dass man bei diesem einfachen Denkmuster nicht stehen bleiben darf. Man kann die Menschen nicht aufteilen in Gut und böse, weil wir alle aus Licht und Schatten gewebt sind. Der Riss geht durch jeden einzelnen mitten hindurch.
Jesus meidet darum nicht die Berührung mit den dunklen Seiten des Lebens, sondern wendet sich bewusst den Kranken, den Schuldigen, dem Leiden zu. Er steigt sogar hinab in den von allen gefürchteten Abgrund des Todes, ohne von ihm verschlungen zu werden. Nicht Abspaltung, sondern Liebe ist der Weg, den Jesus lehrt. Indem er die Gegensätze des Lebens zusammenbringt, trägt er sein Licht in die Finsternis und löst sie damit letztlich auf.
Pharao Echnaton und Nofretete
bringen dem Sonnengott Aton Opfer
Relief aus Armana
Gebet
Ich suche dich, Gott, jeden Morgen
und sehne mich nach deinem Licht,
das mir den Tag aufschließt.
Ich halte mittags nach dir Ausschau
und lerne dann, dich zu verstehen
in Licht und Schatten neben mir.
Und wenn es Abend wird,
dann sehn ich mich nach dir,
dass du mich führst
durch Dunkelheit und Angst.
Christian Trappe
Bekenntnis
Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben
müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube,
dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind,
und dass es Gott nicht schwerer ist,
mit ihnen fertig zu werden,
als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern das er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten
wartet und antwortet.
Dietrich Bonhoeffer
Gedanke
Und der Haifisch, der hat Zähne,
und die trägt er im Gesicht.
Und Mackeath, der hat ein Messer,
doch das Messer sieht man nicht.Denn die einen stehn im Dunkeln
und die andern stehn im Licht.
Und man sieht nur die im Lichte,
die im Dunkeln sieht man nicht.
Bert Brecht: Dreigroschenoper
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