Ohne Netz und doppelten Boden
Experimentelle Raumerkundung mit Klängen, Tönen und Bewegungen
(Bericht der HNA vom 17.April 08 - Nicola Uphoff-Watschong)
LIPPOLDSBERG. 18.00 Uhr, im Turm der Klosterkirche schlagen die Glocken und erwecken selbst Felsen zum Leben. Millionen Jahre alter Mamor, in schlanke Klangstelen verwandelt und sanft "beklopft", antwortet dem bronzenen Schall, gemeißeltes Echo. Wovon sie singen werden, das kann auch der Percussionist vorher nur erahnen.
Nichts ist sicher, nichts starr und festgelegt - schon gar nicht in der Osterzeit. Wo Steine ins Rollen kommen und Gräber freigeben, da wird auch der musikalische Spielraum neu vermessen und ausgelotet.
Das neue Beleuchtungskonzept der Klosterkirche
schafft Licht- und Schattenräume
"Einmal im Jahr muss in der Klosterkirche Platz sein für ein Konzert, das nicht den bewährten Pfaden folgt, sondern die klanglichen Möglichkeiten des Raumes neu auslotet", sagt Pfarrer Christian Trappe und meint damit Musik, die erst im Moment der Begegnung zwischen Klang und Raum, zwischen Mensch und Mensch entsteht.
Inspiriert vom Zyklus "Chants de terre et de ciel" (Olivier Messiaen) sollte die verwirrende Ostergeschichte neu erzählt werden. "Resurrection - Auferstehung" - in einen grenzenlosen Raum, dessen Freiheit auch Unsicherheit auslöst.
Nicht anders erging es den Akteuren Gundula Bernhold (Sopran), Olaf Pyras (Schlagwerk) und Christian König (Fahnenkünstler). Sie erarbeiteten gemeinsam das Konzept, das nur als Leitlinie diente. Vertraut mit dem Raum und miteinander ließen sie sich auf das abwechslungsreiche Spiel ohne Netz und doppelten Boden ein.
Olaf Pyras und Gundula Bernhold - Wechselgesang zwischen Stein und Stimme
"Halleluja. Ich bin auferstanden. Ich schreite vom Tod zum Leben." Mensch und hölzerne Laute fanden sich im spontanen Wechselgesang. Dann eine tastende Zerreißprobe - Mikrointervalle, reibende Zwischentöne. Der Stein, der Tod, hält seinen Ton, die Stimme, der Mensch weicht ab, versucht sich zu entziehen. Doch dann ein neuer Aspekt: "Ein Engel. Er hat sich auf den Stein gesetzt."
Plötzlich entsteht Bewegung im Kirchenschiff, Wind kommt auf und verwirbelt die Klänge. Eine glänzend weiße Fahne zieht ein. Der Fahnenträger lotet die Vierung rund um den Altar aus, schreitet, tanzt.
Das Tuch weht durch den Raum, leicht, aber nicht seicht ist die Bewegung, im Gegenteil kraftvoll, mit schnellen Wendungen und trommelähnlichen Schlägen.
Mit zwei Kieselsteinen wird jeder selbst zum Klangerzeuger
Ein neues Geräusch wird hörbar - kleine Kiesel fallen zu Boden, mal hier mal dort, andere werden an die Zuhörer verteilt, die auf einmal zu Mitmachern werden. Aufstehen, selbst den Raum erkunden, sich einbringen in die Bewegung, in den Klang, alles darf probiert werden.
Die alte Basilika lädt ein zur Raumerkundung
Einige fangen an zu singen, andere suchen das Gespräch mit den Klangstelen oder auch mit Menschen. Das Experiment ist ganz im Sinne Rilkes geglückt, der sagte: "Man muss den Dingen die eigene stille, ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann."
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