Märchengottesdienste
... mit Märchen der Gebrüder Grimm im Tierpark an der Sababurg
Einführung
"Das Leben eines Menschen ist ein von Gotteshand geschriebenes Märchen." (Hans Christian Andersen)
Die Wahl des Tierparks Sababurg und des Reinhardswaldes als Gottesdienstort legt die Beschäftigung mit Märchen nahe, zum einen wegen der märchenhaften Landschaft, zum anderen wegen der Verortung der Sammeltätigkeit der Brüder Grimm in unserer Region. Es liegt am Fuße des "Dornröschenschlosses" einfach näher, von Dornröschen zu erzählen, als beispielsweise von Paulus auf Malta.
Dornröschenschloss Sababurg
Märchengottesdienst - kann es so etwas überhaupt geben?
Gibt es am Ende einen "Gott der Märchen", dem wir dienen? Das wohl nicht, aber Gottes Spuren lassen sich auch in der Sprache der Märchen wiederfinden. Und die Pfingstzeit, in die der Tierparkgottesdienst alljährlich fällt, ist seit jeher die Zeit, in der Christen Grenzen überschritten und sich aufgemacht haben, um den Geist des einen Gottes in vielen Sprachen zu entdecken.
Der Altstestamentler Hermann Gunkel hat im Rahmen seiner formgeschichtlichen Forschungen schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf Märchenmotive in der hebräischen Bibel hingewiesen, die zwar zähmend intergriert, aber nie völlig ausgeschieden wurden. Vor allem vom Neuen Testament ist bekannt, dass das Christentum als synkretistische Religion entstand, das heißt dass die Christen ihre Glaubensüberzeugungen unter zu Hilfenahme vorgefundener antiker Mythen ausgedrückt haben (Hugo Rahner: Antike Mythen in christlicher Deutung).
Grüner Mann - Norwich
Auch aktuelle Erfahrungen in Mission und Ökumene machen die Notwendigkeit und Möglichkeit der Inkulturation deutlich, einer mit den örtlichen Lebens- und Erzähltraditionen vermittelten Ausformung des Christentums. Oft zeigt die künstlerische Ausgestaltung von Kirchen (z.B. der grüne Mann in Norwich oder im Gottsbürener Blätterdekor), wie das Christentum sich früher ganz selbstverständlich mit lokalen Besonderheiten zu verbinden vermochte. Darin liegt ein vitaler Zug kirchlichen Lebens. Die Kirche wird spirituell stärker, wenn sie zu lernen bereit ist, als wenn sie der Arroganz der Macht erliegt.
"Nicht Kinder nur speist man mit Märchen ab."
Das meinte schon Gotthold Ephraim Lessing. Märchen sind kein Kinderkram. Oder wenn, dann müssten wir wieder werden wie die Kinder, wie Jesu uns rät. Die archaischen Märchenstoffe führen zurück in eine sehr frühe Schicht von Erzähltraditionen und damit auch in frühe Denkmuster unseres Bewusstseins. Im Gegensatz zum Mythos treten im Märchen nicht geläuterte Götter- und Heroengestalten auf, sondern kleinere, einzelne Geister, in denen sich aber - ähnlich wie in Engelbildern - durchaus Teilaspekte Gottes finden lassen.
Angeregt durch eine Neuentdeckung der Märchen von tiefenpsychologischer Seite (z.B. Bruno Bettelheim, Ingrid Riedel, Gidon Horowitz aus Göttingen), haben auch Theologen (Robert Bly, Richard Rohr, Axel Denecke) begonnen, sich intensiver mit dem mythologischen Substrat der Märchenstoffe zu befassen. In dem Maße wie Gott nicht mehr nur in der Höhe (als Spitze einer hierarchisch festgefügten Ordnung), sondern in der Tiefe der subjektiven Erfahrungen gesucht und gefunden wird, wird das Unbewusste als Quellort religiöser Erkenntnis bedeutsam.
Darstellung
Aschenputtel tief in Gedanken
Dieser Schuh passt nur der wahren Braut
Zur Darstellung des Märchens legt sich das szenische Spiel nahe. In der Regel wird der Erzählrahmen gelesen, während einzelne Szenen von Jugendlichen dargestellt werden. Ohne allzu aufwändige Requisitenausstattung gewinnt die Inszenierung durch das konzentrierte Spiel dennoch an Kraft.
Das Nach- und Ineinander von erzählerunterstütztem Spiel und Interpretation ermöglicht es, die körperlichen, geistigen und seelischen Aspekte des Märchens in großer Dichte miteinander zu entfalten.
Musikalisch begleitet wird der Gottesdienst vom Posaunenchor Lippoldsberg.
Die Märchengottesdienste werden durchgeführt vom Ev. Gesamtverband Oberweser in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Kassel als dem Träger des Tierparks Sababurg.
Rückblick
In unseren Märchengottesdiensten wird im jährlichen Wechsel eines der bekannten und eines der unbekannteren Märchen der Gebrüder Grimm ausgewählt.
Bislang waren dies (teilweise zu Berichten verlinkt!):
"Frau Holle" im
Tierpark an der Sababurg
- 1998: Rumpelstilzchen
- 1999: Die Gänsehirtin am Brunnen
- 2000: Frau Holle
- 2001: Das Wasser des Lebens
- 2002: Rapunzel
- 2003: Der Eisenhans
- 2004: Die Bremer Stadtmusikanten
- 2005: Fundevogel
- 2006: Aschenputtel
- 2007: Die Nixe im Teich
- 2008: Jorinde und Joringel
- 2009: Dornröschen
- 2010: Schneewittchen
- 2011: Das tapfere Schneiderlein
- 2012: Das Eselein
- 2013: Der Froschkönig
- 2014: Hänsel und Gretel
- 2015: Hans im Glück
- 2016: Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen
- 2017: Rotkäppchen
- 2018: Die sieben Raben
- 2019: Der Wolf und die 7 Geißlein
- 2020: Vom Fischer un sin Fru (coronabedingt in Lippoldsberg)
- 2021: Der Teufel mit den drei goldenen Haaren