Passionskonzert zur Sterbestunde Jesu
Schau hin nach Golgatha - Musikalische Passionsgedanken in der Klosterkirche Lippoldsberg
(Bericht der HNA vom 10. April 07 - Nicola Uphoff-Watschong)
LIPPOLDSBERG. Die Glocken der Klosterkirche verklingen nach dem dritten Schlag - es ist die Todesstunde Jesu. Still erheben sich die Sänger und Sängerinnen der Kantorei im Chorraum und fordern die Zuhörer in der vollbesetzten Basilia auf: "Schau hin nach Golgatha…" Friedrich Schilcher (1790-1860) schrieb diese dramaturgisch aufwühlende Musik und zieht den zunächst unbeteiligten Außenstehenden mitten hinein in das Geschehen am Ort der Kreuzigung Jesu.
Sopranistin Gundula Bernhold
© Ralph Hinterkeuser
Die Bereitschaft, sich nicht vom Leiden Jesu abzuwenden, wurde in J.S. Bachs Choral "Jesu, deine Passion" und in der von Gundula Bernhold gesungenen Sopranarie "Ich folge dir gleichfalls", gestärkt. Mit fein abgestimmter Dynamik sang die Kantorei verschiedene Choräle aus der Matthäuspassion, begleitet vom Wilhelmshavener Streicherensemble, das sich hervorragend der sensiblen Gestaltung und den Vorgaben von Kantorin Elisabeth Artelt anpasste. Kristallklar und mit inniger Anteilnahme erklang die Stimme der Sopranistin in einer weiteren Bach-Arie "Blute nur, du liebes Herz" - solche Worte wehen aus einer anderen Zeit zu uns herüber und berühren doch unmittelbar.
Ergänzend zu den Werken Bachs stand eine Choralkantate von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) im Mittelpunkt. "Christe, du Lamm Gottes" wurde von der Kantorei ausdrucksvoll gesungen, besonders die rhythmisch anspruchsvolle Fuge im Zentrum stellte die Fähigkeit des Chores heraus, mit ganz unterschiedlichen Ausdrucksmitteln zu arbeiten. Erstmalig waren der Kinder- und Jugendchor an einem Passionskonzert beteiligt. Mit ihren hellen Stimmen gaben die jungen Sänger der Choralkantate eine besondere Klangfarbe.
Ein großes Erlebnis für den Kinder- und Jugendchor an der Oberweser - gemeinsam mit der Kantorei Lippoldsberg und dem Wilhelmshavener Streicherensemble durften sie am Karfreitag in der voll besetzten Klosterkirche musizieren.
© Ralph Hinterkeuser
Instrumentale Zwischentöne waren von der Orgel und vom Wilhelmshavener Streicherensemble zu hören. Kirchenmusikdirektor Klaus Dieter Kern verwob die fast mathematisch anmutende Toccata und Fuge d-moll von J.S. Bach zu einem Klangteppich, der zur stillen Betrachtung des Karfreitags einlud. Das perfekt aufeinander eingespielte Streichersensemble ließ mit dem Concerto grosso e-moll von Arcangelo Corelli (1653-1713) hoffnungsvolle Klänge gegen die Dunkelheit des Todes aufleuchten. Doch das anrührende "Lachrimae" von John Dowland (1533-1626) gab sich wieder ganz der Stimmung des Tages hin.
Nach Gebet und Segen setzte die Kantorei einen Schlusspunkt mit "Verleih uns Frieden gnädiglich" von F. Mendelssohn Bartholdy. Hauchzart verhallte diese Bitte im weiten Raum der Klosterkirche, Stille folgte, die von verhaltenem Klatschen nur kurz unterbrochen wurde, denn ganz ohne Anerkennung wollten die Zuhörer die Musiker nicht zurücklassen.
© Ralph Hinterkeuser
Vielen Besuchern war bewusst, dass das traditionelle Passionskonzert nicht als isolierte Kulturveranstaltung zu werten ist. Es steht in einer Reihe von Gottesdiensten, angefangen mit einem Abendmahl für Konfirmanden am Gründonnerstag und Passionslesungen am Vormittag des Karfreitags. Am Tag der Grabesruhe am Samstag erleben die Konfirmanden die Dunkelheit der Nacht mit Gebetsmeditationen, die bis in den frühen Morgen reichen und mit der Feier der Osternacht ihren Höhepunkt finden.
In einem strahlenden Gottesdienst am Vormittag, in dem der Posaunenchor mitwirkt, wird der Sieg des Lebens über den Tod gefeiert. Der Ostermontag führt dann nach einem fröhlichen Gottesdienst zu einer Osterwanderung hinaus in die Natur.
"Den Leidensweg Jesu mutig durchschreiten und dem Leben Jesu fröhlich begegnen - beides gehört zusammen, das ist Ostern", sagt Pfarrer Trappe.
Mitwirkende
Kantorei St. Georg
Wilhelmshavener Streicherensemble, Konzertmeister: Matthias Hengelbrock
Gundula Bernhold, Sopran
KMD Klaus Dieter Kern, Orgel
Leitung: Kantorin Elisabeth Artelt
Über die Musik
Felix Mendelssohn Bartholdy
Im Mittelpunkt des Passionskonzertes zur Sterbestunde Jesu stehen Werke von Johann Sebastian Bach (1685-1750) und Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847). Es erklingen Choräle, Chor- und Orchestermusik, Arien und Orgelwerke, in denen Jesu Passion betrachtet und nachgespürt wird.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Enkel des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn, wurde 1809 als zweites Kind in eine Berliner Bankierfamilie geboren. Schon früh kamen er und seine ältere Schwester Fanny in den Genuß einer umfassenden und vielseitigen Bildung, zu der auch eine intensive musikalische Ausbildung gehörte.
Von Anfang an beschäftigten sich die Kinder mit alten Meistern wie Johann Sebastian Bach, dessen Musik sie später wegen ihrer Tiefe und Ernsthaftigkeit bewunderten und dessen Repertoire sie in öffentlichen Konzerten pflegten. Den Höhepunk von Felix Mendelssohns Bach-Studien bildet 1829 die Wiederaufführung der Matthäus-Passion in Berlin. Auch seine acht zwischen den Jahren 1826 und 1831 entstandenen Choralkantaten sind einen Reminiszens an den alten Meister.
In seiner ersten Kantate "Christe, du Lamm Gottes" über Luthers deutsches "Agnus Dei" umrahmen die innige erste und letzte Choralzeile eine erregte Fuge mit geradezu barocken Figuren. Mendelssohn schreibt dazu in einem Brief: "Ich habe es geschrieben, wie es mir zu Muthe war, und wenn mir einmal bei den Worten so zu Muthe geworden ist, wie dem alten Bach, so soll es mir um so lieber sein."
In der Kantate "Verleih uns Frieden gnädiglich" aus dem Jahr 1831 übernimmt Mendelssohn lediglich Luthers Choraltext und vertont diesen mit einer neuen zauberhaften Melodie. Besonders die Orchesterstimmen werden in dieser Kantate nach barocker Art geführt. Robert Schumann äußert sich zu diesem Werk mit den Worten: "Das kleine Stück verdient eine Weltberühmtheit und wird sie in der Zukunft erlangen; Madonnen von Raphael und Murillo können nicht lange verborgen bleiben."
Johann Sebastian Bach
"Johann Sebastian Bach", so beginnt ein biographischer Bericht aus dem Jahr 1754 "gehöret zu einem Geschlechte, welchem Liebe und Geschicklichkeit zur Musik, gleichsam als ein allgemeines Geschenck, für alle seine Mitglieder, von der Natur mitgetheilet zu seyn scheinen."
Bach versah an mehreren Wikungsstätten das Kantoren- und Organistenamt: in Arnstadt, Mühlhausen, Weimar, Köthen und Leipzig. In Leipzig entstanden seine beiden großen Passionen, 1724 die "Johannes-Passion" und 1727 die große doppelchörige "Matthäus-Passion".
Die Passionen wurden abwechselnd in der Leipziger Nicolai- und Thomaskirche zur Karfreitagsversper aufgeführt - der erste Teil vor, der zweite Teil nach der Predigt. Von beiden Werken sind mehrere Varianten erhalten, da Bach eine allzu treue Wiederholung in den Folgejahren vermeiden wollte.
Im diesjährigen Konzert werden aus diesen Bach-Passionen zwei Sopran-Arien sowie eine Auswahl an Chorälen zu Gehör gebracht.
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