Märchen "Suche nach dem Glück"
Was aussieht wie ein Fluch, könnte auch ein Segen sein
(Bericht der HNA vom 12. Februar 07 - Nicola Uphoff-Watschong)
LIPPOLDSBERG. "Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?" wurden die Besucher im Klosterkeller gefragt, die zur Spurensuche nach dem Glück gekommen waren. "…dass ich immer älter werde, " kam die Antwort aus den Reihen der Zuhörer, "kein Wunder, immerhin bin ich schon 90 Jahre alt!"
Genauso ging es auch der ersten Hauptperson einer Geschichte, in der Märchenerzählerin Hilde Matalla eine chinesische Familie lebendig werden ließ. Deren alter Vater besaß als einziger Mensch auf der Welt einen Spiegel und offenbarte niemandem dessen Geheimnis, bevor er starb.
So dachte ein jeder, der hineinschaute, er sähe ein Gemälde, was herrliche Verwicklungen auslöste. Nur ein alter Mann, der stets zufrieden mit seinem Leben gewesen war, erkannte den wahren Wert des Spiegels, der ihm immer ein Lächeln vor Augen hielt. Er sah im Spiegel nichts anderes als - Glück.
Die Kunst des ausdrucksstarken Erzählens haben Hilde Matalla (links)
und Anja Roschke in einer einjährigen Ausbildung gelernt.
© Nicola Watschong
Diesem weisen Mann folgten weitere Menschen wie du und ich, alle auf der Suche nach dem Glück. Hilde Matalla und Anja Roschke schlüpften erzählend in die verschiedenen Rollen, mal verträumt, mal verschmitzt folgten sie den Spuren vom Mann, der von Gott ungerecht verteiltes Glück einforderte und doch immer noch daran vorbeilief, vom faulen Heinz, dem stets neue Ideen kamen, wie er ohne einen Finger zu rühren das Glück zwingen könnte, vom Schmetterling auf erfolgloser Brautsuche, dessen Glück scheinbar erst begann, als er aufgenadelt eine Raritätensammlung zierte, vom Bäuerlein, das sogar dem Teufel noch das Glück abhandeln konnte, vom Wandersmann, in dessen dankbarem Herzen die Saat der Enttäuschung und Bosheit nicht keimen konnte.
Ein anderer chinesischer Mann hatte zwar keinen Spiegel, aber ein kostbares Pferd, das der Auslöser für eine Verkettung glücklicher und unglücklicher Umstände war. "Was wie ein Segen aussieht, könnte auch ein Fluch sein, und was wie ein Fluch aussieht, könnte auch ein Segen sein", resümierte der kluge Mann.
Besonders zu Herzen ging die Geschichte des kleinen Nachtwächters, den ein vierblättriges Kleeblatt an bald bevorstehendes Glück glauben ließ. Das wollte er aber nicht für sich allein haben und weckte andere, um mit ihnen auf die Ankunft des Glücks zu warten. Die Betrachtung der nächtlichen Umgebung, in der sich viele Tiere ganz ungestört tummelten, vertrieb der kleinen Gemeinschaft die Zeit, und bald erkannten die Menschen, die eigentlich etwas Großartiges erwartetet hatten, dass allein diese friedvolle Stimmung sie schon glücklich machte. Und so hatte das Kleeblatt seinen Zweck erfüllt.
Wie gut, dass es solche Märchen gibt, die einen auf der rastlosen Suche nach einem glücklichen Leben vor Augen halten, dass das Wesen des Glücks zwar flüchtig ist, aber gleich hinter der nächsten Ecke auf uns wartet.
Zum Ende der letzten Geschichte eines Mönchs, der sein Glück in einem klingenden Glöckchen fand, bekam jeder Besucher im Klosterkeller ein solches Glöckchen zur Erinnerung geschenkt. Daran gebunden für jeden ein anderer Sinnspruch, z.B. "Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die wirklich glücklich machen: ein Lächeln, eine Umarmung oder ein liebes Wort." - oder ein kunstvoll erzähltes Märchen.
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