Letzter Sonntag des Kirchenjahres - Ewigkeitssonntag
Wenn dem trauernden Totengedenken an anderer Stelle (z.B. an Allerseelen oder - wie in Lippoldsberg - am Vorabend des Totensonntags) bereits Raum gegeben wurde, kann der Gottesdienst am Morgen des letzten Sonntags im Kirchenjahr wirklich den Charakter eines Ewigkeitssonntag annehmen: Zeit für die großen Hoffnungsbilder der christlichen Glaubens.
Die katholische Tradition verfolgt an diesem letzten Sonntag dieselbe Richtung, allerdings unter Fortführung von Motiven der Himmelfahrt Christi unter dem Namen "Christkönigfest".
Eine barocke Grabplatte in der Klosterkirche beschreibt das menschliche Dasein in seiner grundlegenden Zwiespältigkeit:
"Zum zeitlichen Sterben geboren - zum ewigen Leben gestorben".
Gedicht
Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht,
die etwa mögen kommen;
der Augenblick ist mein,
und nehm ich den in acht,
so ist der mein,
der Jahr und Ewigkeit gemacht.
Andreas Gryphius
Biblische Lesung
Offenbarung (Jh 21)
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,
und das Meer ist nicht mehr.
Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,
von Gott aus dem Himmel herabkommen,
bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach:
Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein,
und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,
und der Tod wird nicht mehr sein,
noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;
denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
Altarschmuck zum Ewigkeitssonntag
Interpretation
Im letzten Buch der Bibel, der Apokalypse des Johannes, wird das Ende der Welt beschrieben. Der Name Apokalypse ist für uns gleichbedeutend mit jenen beunruhigenden Untergangsvisionen, wie sie die meisten Seiten dieses zornigen Buches füllen.
Und doch sind diese Horrorszenarien nur das Vorletzte, sowohl in der biblischen Offenbarung als auch im Ausklang des Kirchenjahres. Das Ende der Geschichte ist ganz anders: Die lichte Stadt. Ein Bild der Sehnsucht, das die Phantasie der Kathedralenbauer inspiriert hat und auch heutige Architektenträume beflügelt.
Die durchscheinende Stoffe des himmlischen Jerusalem, sind mit irdischem Material (Glas, Perlen, Gold) nicht zu verwirklichen. Sie verweisen auf ein neue Daseinsform, die so sehr von Licht durchdrungen ist, dass sich alle Schatten von innen her auflösen.
Es gibt keine Abspaltung, keine Trennung von heilig und unheilig, von gut oder böse. Die Gegensätze, die seit den Zeiten des Paradieses das Denken der Menschen zerreißen, sind überwunden in der Erleuchtung, dass alles zusammengehört: Werden und Vergehen, Freude und Leid, Leben und Tod... Alles gehört zueinander; und alles ist von dem einen Licht erfüllt.
Was mit Ewigkeit gemeint ist, ist keine endlose Dauer - keine Quantität, sondern eine Qualität. An diese tiefe Lebenssicht rühren wir an Gipfelpunkten unseres Lebens, aber wir können sie meist nicht auf Dauer halten. Viele religiöse Übungen dienen dazu, sich in der Ewigkeit Gottes dauerhafter einzuwohnen.
Ein Bild des himmlischen Jerusalem
der Radleuchter der Klosterkirche
Lied
Jerusalem, du hochgebaute Stadt (EG 150)
Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir.
Mein sehnend Herz so groß Verlangen hat und ist nicht mehr bei mir.
Weit über Berg und Tale, weit über Flur und Feld
schwingt es sich über alle und eilt aus dieser Welt.
Kontext
Ich bin oft gefragt worden,
wie ich mir das Auferstehen vorstelle,
Ich stelle es mir nicht
in theologisch-dogmatisch bestimmten Bildern vor.
Aber in den Träumen erhalte ich Belehrung darüber.
Der Kern ist immer der gleiche.
Ich werde getötet,
erschrecke einen Augenblick und falle in eine dunkle Tiefe.
werde aber plötzlich von etwas Unsichtbarem aufgefangen
und finde mich in einem Licht,
das ich vorher nie sah.
Luise Rinser
Liturgisches Brauchtum
Es ist eine weitverbreitete Sitte, im Gottesdienst am Ewigkeitssonntag die Namen der im letzten Jahr Verstorbenen zu verlesen. In Lippoldsberg werden dazu die Namen mit Geburts- und Sterbedatum in das "Buch des Lebens" eingetragen.
Vielerorts finden am "Gedenktag der Entschlafenen", wie der Toten- bzw. Ewigkeitssonntag auch genannt wird, auch Andachten auf dem Friedhof statt.
Friedhof Lippoldsberg - Ein Ort der Verbundenheit mit den Gestorbenen
Von symbolischer Bedeutung ist dabei die Beteiligung von Bläserchören, denn der durchdringende Schall der Posaune gilt jeher als Bild für den Weckruf am Jüngsten Tag.
So schreibt z.B. der Apostel Paulus: "Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Am Ende der Zeit werden alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen, und die Lebenden werden verwandelt werden." (1. Kor 15)
Musikbeispiel: Johann Sebastin Bach - Messe in H-Moll - Gloria
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